Ein letztes Mal Singen, tanzen und geniessen
Die letzten zwei Wochen sind im Nachgang wie im Flug vergangen. Erst wenn man sich alle Momente in Erinnerung ruft, die wir am Stars in Town 2022 erleben durften, spürt man die Dauer der sechs Abende. Am Samstag fand die magische 11. Ausgabe des einmaligen Festivals ihren Abschluss mit den Konzerten von Rag n Bone Man, Patent Ochsner und Milky Chance.
Milky Chance: Von Mikro-dancing zu Stolen Dance
Zum Spiegelei braten ist der Auftakt mit Milky Chance. Das bemerkt Clemens Rehbein während ihm der Schweiss in Strömen vom Gesicht rinnt. Von der Hitze lässt sich die Band den Spass jedoch nicht verderben. Das sonst extrovertierte Tanzen wird den Umständen jedoch angepasst und in Mikro-Dancing umgewandelt. Seine selbst auferlegte Regel zur Eindämmung der Hitze hält jedoch maximal zwei Songs, bei Down by the river will sich der Körper von alleine stärker bewegen.
Down by the river I was drawn by your grace
Into depths of oblivion and to the lovers' place
I was stucked in a puddle full of tears and unwise
Dark doings, now I know that we've paid unlike
Neue Musik gibt es in Form von Synchronize. Das klingt wie Simon & Garfunkel mit Beats – und das ist durchaus positiv gemeint. Etwas neidisch auf die Fächer im Publikum fragt Clemens zum Scherz ob er sich wohl so einen borgen könnte. Knapp eine Minute später fliegt einer direkt auf seinen Kopf zu. Ein halbes Attentat, aber die frische Luft muss eine Wohltat sein. Das gibt Energie für einen Klassiker wie Colorado. Bereits hier heben einige Zuschauer, denen die Band zuvor wohl unbekannt war, erstaunt den Kopf. Doch spätestens bei Stolen Dance fällt der Groschen. Nicht ohne Grund ist die Band aus Kassel auf internationalen Bühnen unterwegs.
Patent Ochsner: Die verwandlung von der Band zum Orchester
Im Oktober 2021 haben Patent Ochsner als erste Schweizer Band ein MTV Unplugged aufgezeichnet. Dafür hat die Band ihre Songs komplett neu arrangiert. Aber auch abseits der Unplugged-Konzerte fährt die Formation um Sänger Büne Huber gewaltig auf. Mit Leichtigkeit brechen die Berner den Musikerrekord am Stars in Town. Das Orchester wird nicht nur zur Untermalung der Songs genutzt, es ist ein wichtiger Bestandteil der Live-Performance. So sind sie auch verantwortlich für den Einstieg mit Beggin, dem einzigen Coversong im Set.
Es Glas uf d'Liebi und eis uf z'voue Läbe u Eis uf au das wo mir nid chöi häbe
Es Tor geit uuf unes angers geit zue
Blibsch i mim Härz (sogar no denn) wes afaht weh tue
Ein Set bei dem jeder Song ein Klassiker ist, können nur ganz weniger Schweizer Band spielen. Patent Ochsner fällt das mit ihrer über 30-jährigen Bandkarriere aber alles andere als schwer. Kompositionen wie Scharlachrot oder W. Nuss vo Bümpliz sind längst Kulturgut. Doch der Band um Büne Huber ist es gelungen, mit Für immer uf di noch einmal einen solchen Hit zu schreiben. Das hat bei den Bernern für einen zweiten Frühling gesorgt. Patent Ochsner sind populär wie nie. Dass sie ihre Songs immer wieder neu Arrangieren zeigt, wie gross die Freude an Livemusik bei der Band noch immer ist.
Rag 'n' Bone Man: Die Rückkehr des stimmgewaltigen Giganten
Rag n Bone Man ist eine Erscheinung. Durch seine Grösse wirkt er bereits imposant, doch kombiniert mit seiner Stimme wird er zum Gesamtkunstwerk. Seit seinem ersten Besuch im Jahr 2018 hat Rory Graham, wie er mit bürgerlichem Namen heisst, sein zweites Studioalbum mit dem Titel Life by Misadventure veröffentlicht. Nach dem Einstieg mit dem magischen Skin folgt bereits das eindrückliche All You Ever Wanted.Die Musik ist auch auf dem Nachfolgealbum von Human (2017) unverkennbar geblieben und hat trotzdem eine neue Frische bekommen.
Tear it down 'til it's gone
All you ever, all you ever wanted
Kill the lights while they're on
Is it all you ever, all you ever wanted?
Unterstützt wird der Engländer von einer nicht minder talentierten Liveband und drei Background-Sängerinnen. Der Sänger zeigt sich erfreut über seine Rückkehr nach Schaffhausen. Hier hatte er beim letzten Besuch beim Ausflug an den Rheinfall einen eindrücklichen Sprung ins Wasser gewagt. Das dazugehörige Video ist noch immer ein Highlight der Stars-in-Town-Historie. Rag n Bone Man schliesst mit seinem musikalisch hochstehenden Auftritt die diesjährige Festival-Ausgabe stimmungsvoll ab. Man wird sofort ein wenig wehmütig, sobald mit den letzten Takten von Giants die Musik auf dem Herrenacker für ein Jahr zum letzten Mal erklingt.
Fotos: Julius Hatt, Simeon Wälti, Laura Rubli
Text: Christian Meier
