Schweizer Musik Auf dem Herrenacker: Eine Liebesgeschichte in drei akten
Grandiose Stimmung ist vorprogrammiert, wenn ein Abend voll mit Schweizer Acts ansteht. Patent Ochsner schweben derzeit auf luftigen Höhen, bei denen einem sogar im Hinblick auf ihre beispiellose Karriere schwindlig wird. Dabu Fantastic haben durch zahlreiche Windungen im Leben ihres Sängers neue Energie gefunden und Marius Bear stellt klar, warum sein Weg vom Kammgarnstars-Gewinner zur festen Szenengrösse vorgezeichnet war.
Marius Bear: Eine Stimme, die einem die Schuhe auszieht
2016 nahm Marius beim Talentwettbewerb Kammgarnstars teil, gewann, trat am Abschlussabend auf der Hauptbühne auf und der Rest ist Geschichte. Seither ist aus dem Zusatz Bär ein Bear geworden, er hat die Schweiz am ESC vertreten und ist aus der hiesigen Musikszene nicht mehr wegzudenken. Fun Fact: Schon damals standen am selben Abend Patent Ochsner als Headliner auf der Bühne.
Gsehsch de Mond
Aber chasch en nid griiffe
Irgendwo
Zwüschet all dene Gsichter
I dinem Space bisch du irgendwoMond, Marius Bear
Der Name Bear passt zur Stimme, die aus Marius kommt. Tief und mächtig klingt sie, dabei aber trotzdem warm und schmeichelnd. Noch immer tritt er barfuss auf und noch immer verfügt er über eine einnehmende Persönlichkeit. In seinen Songs wechselt er zwischen Englisch und Schweizerdeutsch, zwischen Eigenkompositionen und Covers. So ist der an Coolness kaum zu übertreffende Black-Keys-Hit Lonely Boy in seinem Set. Auch der Extrem-Ohrenwurm Chinder Si, den er mit dem Rap-Duo L Loko x Drini aufgenommen hat findet seinen Weg auf die Bühne. Sogar eine Appenzeller-Flagge entdeckt Marius in der ersten Zuschauerreihe. Schöner kann ein Konzertabend unter der Schaffhauser Sonne doch gar nicht starten.
Dabu Fantastic: Durch das Tal der Tränen ins neue Liebesnest
Das Schweizer Fernsehen hat im Juni eine extrem sehenswerte Doku über die Entstehungsgeschichte von Ciao Baby, Ciao veröffentlicht. Das neue Album von Dabu Fantastic war eine schwierige Geburt, die für die Band eine Zerreissprobe war. Dabu machte eine Trennung durch und stürzte sich in eine neue Liebe. Für die Bühnenshow hat sich das Auf und Ab gelohnt. Dabu Fantastic bringen natürlich immer noch Stimmung mit Hits wie Angelina, aber sie schaffen auch wunderbare Kontraste. Der Trennungssong Ciao Baby, Ciao, bei dem Dabu alleine am Piano sitzt, ist ein emotionaler Höhepunkt. Danach gibt es einen harten Cut und der, O-Ton, Sex-Block beginnt.
Mir sind so fescht verwoben inenand
Hett nie dänkt, dass mir de Fade chönd verlüüre
Händ immer ufpasst und gluegt ufenand
Es isch gliich nüm s Gliich, wo mir jetzt gspüredCiao Baby, Ciao, Dabu Fantastic
Für Die Fautsche Meitschi erhalten Dabu Fantastic Unterstützung von der Bieler Sängerin DANA. Mit ihr zündet die Band die nächste Stufe. DJ-Solo von DJ Arts und Bälle im Publikum heizen sie die Stimmung weiter und weiter an, bis sie bei Aline dem Höhepunkt immer näher kommen (Dabu ist Schuld, wenn das anrüchig klingt). Zum Abschied wird bei Miin Ort noch einmal gekuschelt. Der rote Teppich für Patent Ochsner ist mit dieser Performance bis in die hintersten Reihen ausgerollt.
Patent Ochsner: ihr vielleicht bester stars in town auftritt aller zeiten?
Der Titel mag reisserisch klingen, aber es fühlt sich tatsächlich so an. An einem perfekten Sommerabend spielen Patent Ochsner auf einem ausverkauften Platz in absoluter Höchstform. Die Dynamik zwischen Band und Publikum ist sofort da. Es ist dieser magische Funke, der manchmal springt, manchmal nicht. Ein Blick in den Tourplan der Berner Legenden zeigt nur ausverkaufte Shows. Ganze acht Mal spielt die Formation um Büne Hüber in der Mühle Hunziken in Rubigen. Wahrscheinlich könnten sie noch acht Konzerte anhängen. Abnutzungserscheinungen zeigen sich aufgrund der grossen Nachfrage nicht, vielmehr verströmen Patent Ochsner eine nie da gewesene Energie.
Es Glas uf d'Liebi und eis uf z'voue Läbe u
Eis uf au das wo mir nid chöi häbe
Es Tor geit uuf unes angers geit zue
Blibsch i mim Härz (sogar no denn) wes afaht weh tueFür Immer uf Di, Patent Ochsner
Ganz egal ob der Song Ludmilla, Bälpmoos oder Für Immer Uf Di heisst, plötzlich spricht ganz Schaffhausen fliessend Berndeutsch. Da sitzt nicht nur der Refrain, sondern jedes Wort im Text. Patent Ochsner sind so sehr in der DNA der Schweiz verankert, dass die Textzeilen aus dem Innersten kommen. Gesteigert wird das nur noch von W. Nuss vo Bümpliz, dieser Song ist schlicht die inoffizielle Schweizer Nationalhymne.
D'w. nuss vo bümpliz
Isch schön win es füür I dr nacht
Win e rose im schnee
We se gseh duss in bümpliz
De schlat mir mys härz hert im hals
Und I gseh win I ungergah, ja, jaW. Nuss vo Bümpliz, Patent Ochsner
Mit Scharlachrot, einem gewaltigen Saxofonsolo und der vielleicht umfangreichsten Bandvorstellung der Geschichte geht ein denkwürdiger Auftritt von Patent Ochsner in Schaffhausen zu Ende. Scheinbar sorgen die Gläser, die Büne Huber auf die Liebe trinkt auch dafür, dass seine Band altert wie guter Wein. Gut vorstellbar, dass die Berner trotz dieser Performance ihren Zenit noch immer nicht erreicht haben.
Fotos: Julius Hatt
Video: absolutturnus.ch
Text: Christian Meier