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9. August 2024

So war der Freitag mit Placebo, Editors und Donots

Hochklassige Liveacts zum start ins wochenende: Von punk bis Dystopie

Placebo haben den Alternative Rock so sehr geprägt wie kaum eine andere Band. Editors fühlen sich ebenfalls eher auf der düsteren Seiten Zuhause und ihre Musik transportiert nicht unbedingt Fröhlichkeit. Kontrast dazu bietet die Energie des Punk in den Songs der Donots. Die Fans erleben einen Abend der mit Circle Pits startet und dem sphärischen Running Up That Hill endet. 

Donots: Die Joggingrunde zum Rheinfall wäre fürs Fitnessprogramm nicht nötig gewesen.

Ingo und Eike von den Donots haben zum Aufwärmen eine kleine Joggingrunde an den Rheinfall unternommen. Für viele wäre das Tagesprogramm an Bewegung damit erledigt, nicht so bei der Band aus Ibbenbüren. Auf der Bühne wirken sie fast so akrobatisch wie der Cirque de Soleil und schwitzen ganze Bäche. Ingo meint: Das fühlt sich an, wie bei Indiana Jones 1, als dem Bösewicht das Gesicht schmilzt. Sie teilen die Fans auf in Sonnen- und Schatten-People und animieren beide Welten zum Springen.

And if I could stop the clocks
If I could make this moment mine
I'd make the most of a bad time
I wish I could stop the clocks

Flausen im Kopf haben die Jungs ebenfalls. Als sie die Menschen an den Fenstern entdecken, wird direkt gefragt, ob sie etwas brauchbares im Kühlschrank hätten: Wenn ihr die Leute mit Käse bewerft, bekommt ihr ein gratis T-Shirt. Beim Song Kaputt sieht das Stars in Town einen seiner ersten Circle Pits – mit Beteiligung des Sänger. Zuschauerin Rebekka wird als Anführerin auserkoren und macht ihren Job gut. Nach dem Twisted Sisters-Cover We’re Not Gonna Take It verabschieden sich die Donots mit So Long. Die Fanchöre dauern noch an, als die Band bereits die Bühne bereits verlassen hat. 

Editors: Eintauchen in die Welt des New Wave

Editors bringen eine Musikrichtung ans Stars in Town, die bisher nur selten im Line-Up vertreten war. Ihr Sound zwischen New Wave und Indie Rock ist das Kommunikationsmittel der Band. Sänger Tom Smith verleiht seinen Gefühlen mit wilder Gestik und seinem Gesang Ausdruck. Das Set setzt sich aus klassischeren Indie-Rock-Tracks aus den Anfangszeiten und den von Synthesizer dominierten neueren Songs zusammen. Ohne viele Worte schafft es die Band, die Zuschauer zum Tanzen zu bringen. Das mitreissende Sugar ist dabei ein Parade-Editors-Song. Er hebt den Bariton von Smith hervor, lässt aber gleichzeitig jedes Instrument glänzen. Die Bassline ist dominant, die Gitarre ist schneidend und das Drumming von Ed Lay treibt den Song voran. Ausgeklügelte Kompositionen wie diese, sind eine der Stärken der Formation.

There's sugar on your soul
And you're like no one I know
You're the life from another world
You swallow me whole

Das stimmungsvolle Bühnenlicht unterstreicht den dynamischen Auftritt voller Hingabe. Tom Smith windet und verrenkt sich auf der Bühne, als sei er von der Musik besessen. Der Song Smokers Outside The Hospital Doors startet in einer wunderbar reduzierten Akustikversion, bevor die ganze Band einsetzt. Gute Songs zeichnen sich dadurch aus, dass sie auch bis aufs Minimum reduziert funktionieren. Editors beherrschen diese Kunst in Perfektion. Die Freudentränen fliessen beim obligaten Klassiker Munich und die Tanzparty wird beim abschliessenden Papillon offiziell eröffnet. Ein traumhafter Ausflug in eine neue musikalische Welt.

Placebo: Handy aus, Livemusik an: Leben im Moment

Dass Placebo leichte Kost sind, behauptet wahrscheinlich niemand, der sie schon einmal live gesehen hat. Die Texte vermitteln einen nicht wirklich optimistischen Blick auf die Welt und farbige Konfetti oder fröhliche Publikumsanimation sucht man vergebens. Die Engländer sind jedoch eine ausgezeichnete Liveband mit starken Prinzipien. Vor dem eigentlichen Konzert bittet die Stimme von Brian Molko aus dem Off die Fans darum, keine Fotos und Videos zu machen und stattdessen im Moment zu leben. Einem Moment, der so nie wieder kommen wird. Natürlich hat er recht. Wir hängen alle viel zu oft hinter den Screens oder scrollen uns durch Social-Media-Feeds. Bei Molko sitzt der Hass auf die Technologie aber besonders tief. Umso erfreuter scheint er, dass die Mehrzahl der Besucher seiner Bitte nachkommen und ihre Smartphones tatsächlich in der Tasche lassen. Er ist nicht unbedingt als redefreudiger Performer bekannt, doch heute Abend spricht er mehrfach und sogar auf Deutsch: Wir sind Placebo, super geil. 

Sucker love is heaven sent
You pucker up, our passion's spent
My heart's a tart, your body's rent
My body's broken, yours is bent

Ein besonderes Highlight ist die Rückkehr eines absoluten Klassikers ins Set. Every You Every Me ist 1998 erschienen und wurde von der Band seit 2015 nicht mehr gespielt, obwohl es einer ihrer grössten Hits ist. Placebo beabsichtigen nicht unbedingt, ihre Fans bloss zu unterhalten, sie fordern sie mit ihrer Komplexität heraus. Too Many Friends ist die Essenz dessen, was die Band bekämpft. Es geht darum, dass wir als Gesellschaft durch Social Media zu viele «Freunde» haben, für die wir im echten Leben nie da wären. Die Zeile …when all the people do all day / Is stare into a phone deutscht Molko charmant in when all your Arschlochs um. Damit meint er nicht das Publikum am Stars in Town, denn es huscht im beim Auftritt sogar immer wieder einmal eines seiner seltenen Lächeln über die Lippen.

I got too many friends
Too many people that I'll never meet
And I'll never be there for
I'll never be there for
'Cause I'll never be ther

Im zweiten Drittel des Sets schöpfen Placebo richtig aus der Vollen. Mit Song To Say Goodbye und Bitter End beschliessen sie wuchtig und den Titeln entsprechend ihr offizielles Set. Die Band ist stolz darauf, alles was auf der Bühne passiert, live zu spielen. Dies wird hier eindrücklich mit der Nutzung eines Theremins unter Beweis gestellt. Ein schwierig zu spielendes Instrument, das komplett ohne Berührung funktioniert. Die Zugaben eröffnet die Band mit dem Livekracher Infra Red, der so viel besser ist als die Studioversion. Eine kleine Spitze gegen die Hospitality-Gäste kann sich Molko nicht verkneifen. So singt er in den Text eingebettet: VIPs, the dark is coming after you. Schon fast eine Liebeserklärung, wenn man so direkt angesprochen wird. Nach Fix Yourself beenden Placebo das Konzert mit ihrer grandiosen Version von Kate Bush’s Running Up That Hill.