Schock-, Punk- oder Blues-Rock? Der erste Festivalabend ist ein Geschenk für Fans von Gitarren und grossen Gesten
Die Liste der Legenden, die schon auf dem Herrenacker standen wird mit jedem Jahr länger. Nun reiht sich kein Geringerer als Alice Cooper, der Urvater des Schock-Rocks, in die illustre Runde ein. Gemeinsam mit Ugly Kid Joe und der Ellis Mano Band feuert er den lautstarken und spektakulären Startschuss für die 14. Ausgabe von Stars in Town ab.
Ellis Mano Band: Wetterfester Bluesrock stoppt den Regen
Dass sie eines Tages mit Ugly Kid Joe und Alice Cooper die Bühne teilen würden, davon haben Chris Ellis und seine Band vor einigen Jahren noch nicht zu träumen gewagt. Diese Aussage ist schweizerisches Understatement des Sängers, denn mit ihrem satten Sound steht die Formation ihren internationalen Idolen in nichts nach. Eindrücklich stellen die einzelnen Musiker ihr Können unter Beweis. Jeder bekommt seinen Platz im Scheinwerferlicht. Mal ist es ein ausuferndes Orgelsolo, das den Körper in Schwingung versetzt, mal ein ausgeklügeltes Gitarrensolo oder ein Schlagzeug-Fill.
Love will leave you scars
The wounds they cut so deep
But I kept runnin’ back for more
For a love I could never keepScars, Ellis Mano Band
Eine bittersüsse Melancholie durchdringt die Blues-Songs der Ellis Mano Band. Liebe kann Narben hinterlassen, aber das richtige Riff hilft beim musikalischen Heilungsprozess. Doch die Formation trägt nicht nur ihre Narben zur Schau, ihre Songs tragen auch Optimismus in sich. Kein Wunder weiss das Wetter bei dieser Gefühls-Achterbahn nicht so recht, was es tun soll. Mal fällt der Regen vom Himmel, bevor kurz darauf die Sonne durch die Wolken bricht.
Ugly Kid Joe: Kalifornische LÄssigkeit mit elektrisierender Ausstrahlung
Seine knapp 60 Jahre sieht man Whitfield Crane nicht an. Der Sänger von Ugly Kid Joe sieht aus, als hätte er vor wenigen Sekunden einen Kick-Flip gemacht und nur eben kurz sein Skateboard zur Seite gelegt. Die kalifornische Heimat der Band spiegelt sich im Look der einzelnen Mitglieder wider. Noch vor der ersten gesungenen Note hat der Frontmann das Publikum im Griff und dirigiert die Fans auf dem Platz.
And the cats in the cradle and the silver spoon
Little boy blue and the man on the moon
When you comin' home?
Son, I don't know when
We'll get together thenCats in the Cradle, Ugly Kid Joe
Alex Blunschi hat bei seiner Anmoderation offenbart, dass Ugly Kid Joe und ihr Album America’s Least Wanted in den frühen 90er-Jahren der Soundtrack seiner Skilager waren. Auf dem Album befindet sich mit Cats in the Cradle auch der wohl bekannteste Song der Band. Obwohl das Original aus den 70er-Jahren und von Harry Chapin stammt, ist die Coverversion bekannter. Als Verneigung an den kürzlich verstorbenen Ozzy Osbourne ist auf dem Drumkit ein schlichtes Ozzy Rules aufgeklebt. In die Riege der verstorbenen Rocklegenden gehört auch Lemmy von Motörhead. Diesen ehren sie mit einer kraftvollen Version von Ace of Spades. Doch nicht nur mit Coversongs, sondern auch mit schlagkräftigen Eigenkreationen wie Goddamn Devil oder Devil’s Paradise wissen die Kalifornier zu überzeugen.
Alice Cooper: Ein blutiges Spektakel vom Meister des Schock-Rocks
Schuldig im Sinne der Anklage. Bevor Alice Cooper die Bühne betritt, wird ihm der Prozess gemacht. Auf einem riesigen Banner prangt die Schlagzeile Banned in Switzerland: Alice Cooper der The Swiss Gazette. Alice Cooper zeigt sich sichtlich unbeeindruckt. Er schneidet sich den Weg mitten durch die Anklageschrift und stolziert wie ein diabolischer Zirkusdirektor auf die Bühne. Dies ist der Auftakt für ein schaurig-schönes Zelebrieren des Horrors. Der 77-Jährige stolziert noch immer wie ein junger Pfau über seine Spielwiese und dirigiert sein Orchester des Schreckens. Mit dem Charme der Rocky Horror Show liefert der Amerikaner eine blutrünstige Performance ab.
Your cruel device
Your blood like ice
One look could kill
My pain your thrillPoison, Alice Cooper
Nicht jedes Show-Element ist etwas für zart besaitete Menschen. Beim Song He’s Back (The Man Behind the Mask) wird Cooper von einem weiblichen Fan mit einer Polaroidkamera belästigt. Kurzerhand wird dieser von Jason Voorhees, dem Antagonisten aus der Filmreihe Freitag der 13. mit einem Eishockeyschläger das Leben ausgehaucht. Der Track fungierte Mitte der 80er-Jahre als Titelsong für den sechsten Teil der Serie. Überhaupt gleicht das Konzert einem Gruselfilm. Doch nicht nur andere müssen dran glauben, auch der Alice Cooper wird in eine Zwangsjacke gesteckt. Zwar kann er sich aus dieser befreien, wird aber kurz darauf mit einer Guillotine um seinen Kopf erleichtert.
No more pencils, no more books
No more teachers, dirty looks
Out for summer, out 'til fall
We might not come back at allSchool’s Out, Alice Cooper
Für School’s Out erscheint der wiederauferstandene Schockrocker im weissen Outfit. Switzerland: Alice Cooper finally speaks to you. Mit diesen Worten wendet er sich zum ersten Mal an seine Fans und leitet eine ausführliche Bandvorstellung ein. Nicht nur Ugly Kid Joe gedenken Ozzy Osbourne, Alice Cooper bringt mit seiner Band sogar den Black Sabbath-Klassiker Paranoid auf die Bühne. Mit Feed My Frankenstein beendet die Legende im Anschluss seine Europatour. Ein würdiger Auftakt für das diesjährige Stars in Town.
Fotos: Julius Hatt, Sarina Reutemann, Tabea Hablützel
Video: absolutturnus.ch
Text: Christian Meier